Sherif Rizkallah „Unterschiedliche Meinungen sind wichtig“

Maresa Stölting

Normalerweise stellt Sherif Rizkallah die Fragen, wenn er für die Kindernachrichten-Sendung „logo!“ als Reporter vor der Kamera steht. Nun musste er die Fragen unserer Kinderreporter Moritz (10) und Zakaria (11) beantworten.

Moritz: Wolltest du als Kind auch Polizist oder Feuerwehrmann werden?
Sherif: Nein, dafür war ich ein viel zu großer Angsthase. Als ich klein war, war ich sehr, sehr ängstlich. Ich hatte Angst vor der Dunkelheit, vor allen möglichen Gefahren. Deswegen dachte ich mir: Willst du in ein brennendes Haus reinlaufen? Nein! Und Polizistinnen und Polizisten, die müssen ja zu einer Gefahr hinlaufen, wenn etwas passiert. Ich war eher der Typ, der vor der Gefahr wegläuft. Stattdessen wollte ich ganz viele andere Dinge werden: Koch, Schauspieler, Anwalt, Lehrer, Arzt, ...

Moritz: Du hast ein Buch über die Grundrechte geschrieben. Warum sollte man schon als Kind etwas über die Grundrechte wissen?
Sherif: Wenn man das Grundgesetz liest, könnte man meinen, das gilt für Kinder nicht. Aber das stimmt nicht: Unsere Grundrechte gelten auch für Kinder! Ich glaube, wenn man Erwachsene in Deutschland fragen würde ‚Was steht im Grundgesetz?’, wüssten das sehr viele nicht. Oder sie wüssten nicht, was die Grundrechte wirklich bedeuten. Das liegt auch daran, dass das Grundgesetz leider so geschrieben ist, dass man es nicht so schnell versteht. Je früher man das lernt, desto besser! Deswegen sollten Kinder schon wissen, was ihre Rechte sind. Denn nur wenn man das weiß, kann man sich auch für das einsetzen, was einem wichtig ist.

Zakaria: Welches Grundrecht ist dir besonders wichtig?
Sherif: Alle Grundrechte sind wichtig. Aber gerade jetzt finde ich es besonders wichtig, dass man seine Meinung frei sagen kann. Zum Beispiel in den USA hat der Präsident Donald Trump immer mehr Probleme damit, wenn jemand nicht dieselbe Meinung hat, wie er selbst. Es ist aber gut, wenn wir unterschiedliche Meinungen haben. Das ist eines der wichtigsten Dinge einer Demokratie, dass wir streiten und diskutieren können. Ich bin in Ägypten aufgewachsen. Dort konnte man seine Meinung nicht frei sagen. Leute sind dafür eingesperrt worden. Deswegen finde ich das Recht auf freie Meinungsäußerung umso wichtiger. Das fängt schon in der Klasse an, wenn man darüber spricht, wo der nächste Ausflug hingeht. Meine Lehrerin hat immer gesagt: Jeder kann seine Meinung sagen, solange sie höflich und respektvoll ist. Das ist wichtig und das dürfen wir nicht verlieren.

Moritz: Wie unterscheiden sich die Grundrechte in Ägypten von unseren?
Sherif: Sie unterscheiden sich vor allem darin, dass es viele Grundrechte, die wir hier haben, dort nicht wirklich gibt. Zum Beispiel die Meinungsfreiheit und die Pressefreiheit. Die gibt es dort vielleicht auf dem Papier, aber nicht in echt. Die Presse kann dort nicht frei berichten. Wenn jemand etwas sagt, was der Regierung nicht passt, dann dürfen die auf einmal nichts mehr veröffentlichen. Viele Menschen kritisieren auf Social Media die Politik und auf einmal werden die eingesperrt. Bei uns stehen die Grundrechte nicht nur im Grundgesetz, wir haben diese Grundrechte auch wirklich.

Zakaria: Was macht dir am meisten Spaß daran, Reporter zu sein?
Sherif: Mir macht am meisten Spaß, dass ich dabei neue Leute und Orte kennenlerne. Ich war für „logo!“ auf Madagaskar, in Bolivien, in der Ukraine, in Griechenland, in der Türkei, ... Das sind alles Orte, die ich so noch nicht gekannt habe. Ich habe mit Leuten gesprochen und Dinge gesehen, die ich unter normalen Umständen nicht kennenlernen würde. In Deutschland kenne ich niemanden, der mit 12 Jahren in einer Mine arbeitet. In Bolivien habe ich so einen Jungen getroffen. Auf Madagaskar habe ich einen Jungen besucht, der mitten im Nirgendwo lebt, in einer Art Wüste. Zusammen mit seiner Großmutter und seinen vier Geschwistern lebt er in einer Hütte, und wenn sie etwas einkaufen wollen, müssen sie erstmal zwei Stunden zu Fuß gehen. Das sind Dinge, die sind so weit weg von meinem Leben, dass ich dankbar bin, dass ich das alles kennenlernen darf.

Zakaria: Was von diesen Reisen ist dir besonders im Gedächtnis geblieben?
Sherif: Bei jeder Reise gibt es einen Moment, den ich nicht vergessen werde. Zum Beispiel in der Ukraine. Wir saßen in der Stadt Cherson, die wurde ständig bombardiert, auch als wir dort waren. Und ich saß mit einem achtjährigen Jungen namens Kostja auf einem leeren Spielplatz auf der Schaukel. Ich hatte meine schusssichere Weste an, die musste ich tragen, und zucke die ganze Zeit zusammen, weil es immer wieder „bumm“ macht. Und er saß da einfach mit seiner Jacke und schaukelt ganz entspannt. Ich habe ihn gefragt: „Kostja, hast du keine Angst?“ Und er hat nur gesagt: „Wenn mich ein Angriff trifft, dann ist das halt so. Ich kann es ja sowieso nicht ändern.“ Dass ein achtjähriger Junge so etwas sagt, das finde ich krass. Ich glaube, da habe ich zum ersten Mal so richtig verstanden, was ein Krieg mit Menschen und auch mit Kindern macht. Das werde ich nicht vergessen.


Sherif Rizkallah Sherif wurde in Kairo (Ägypten) geboren. Dort besuchte er – so wie seine Mutter vor ihm – eine deutsche Schule. Nach seinem Abitur zog er nach Deutschland und hat hier Politik- und Rechtswissenschaften studiert. Darum kennt er sich gut mit unseren Rechten und Gesetzen aus. Beim Fernsehen arbeitete er zum ersten Mal als Schülerpraktikant, bei der ZDF-Nachrichtensendung „heute journal“. Damals knüpfte er erste Kontakte zur Redaktion von „logo!“, wo er später zum Casting für den Moderatoren-Job eingeladen wurde. Deswegen sagt der 30-Jährige, es sei eher ein Zufall, dass er heute vor der Kamera stehe: „Für mich war es nie das große Ziel, später Journalist, Moderator oder Reporter zu werden. Aber ich bin sehr glücklich, dass es so gekommen ist.“ In seiner Freizeit singt Sherif gerne, kocht, geht joggen und spazieren. Urlaub macht er am liebsten am Meer.